Soissons
Buchau
Fraumünster
Fontevraud
Las Huelgas
Klingental
Diese Klöster stehen sowohl für besonders einflussreiche als auch typische Frauenklöster. Es begegnen einem hier Nonnen als Stadtherrinnen (Fraumünster), und als Territorialfürstinnen (Notre Dame und Fraumünster), beeindruckende Finanzmanagerinnen (Klingental), sie sind Richterinnen (Buchau), die zum Tode Verurteilte begnadigen können (Notre Dame), oder welche gar über bischöfliche Befugnisse verfügten – Synoden einberiefen und Dispense erteilten (Las Huelgas).
Notre-Dame de Soissons
Die weltliche Macht der Gottesfrauen [Benediktinierinnen, Abtei, c. 666-1792]
Die Anfänge und territoriale Macht
Um das Jahr 666 gründete der fränkische Hausmeier Ebroin zusammen mit seiner Frau Leuthrude in Soissons ein Frauenkloster und stattete dieses reich aus. Wie viele Klostergründungen des frühen Mittelalters, war auch die Gründung der Abtei Notre-Dame sowohl an religiöse als auch an politische Motive gebunden. Die adeligen Stifter eines Klosters erhofften sich durch ihre Stiftung die Erlösung ihrer Seelen und Zugang zum Himmel. Entsprechend war eine wichtige Aufgabe der Nonnen des Klosters, für das Seelenheil des Gründers und dessen Familie zu beten. Politische Motive waren für gewöhnlich, dass ein solches Kloster den eigenen Einfluss vor Ort stärkte. So auch im Falle Notre-Dames, welches in der wichtigen neustrischen Stadt Soissons, nahe der Grenze zu Austrasien lag.
Aus zwei Bestätigungsurkunden des französischen Königs Karl des Kahlen aus den Jahren 845 und 858 wissen wir, dass die Abtei im 9. Jahrhundert 216 Bewohnerinnen hatte. Diese setzten sich aus 30 Nonnen, 40 Konversinnen, also Frauen, die erst als Witwen dem Kloster beigetreten waren, 16 Novizinnen und 130 Dienerinnen zusammen. Die Zahl von 216 Frauen ist für ein mittelalterliches Kloster sehr hoch. Auch wenn in Fontevraud mit über 300 Nonnen noch deutlich mehr Bewohnerinnen anzufinden waren. Auch in späteren Jahrhunderten blieb die Zahl der Bewohnerinnen Notre-Dames beständig hoch.
Die beiden Urkunden geben ebenfalls Informationen über Notre-Dames Besitztümer. Die Abtei war Herrin über 11 Seigneurien, 78 Weinberge, 508 Höfe mit Leibeigenen, zahlreiche Dörfer sowie weitere Ländereien, die sie als Lehen hielt. Hinzu kamen ausserdem 12 Häuser in Soissons selbst. Während der Grossteil der Besitztümer der Abtei in der Gegend um Soissons lagen, so besass Notre-Dame aber auch Länder fernab. So z.B. sieben Lehen im Elsass und 59 Höfe in der Nähe von Köln sowie ein Dorf in der Nähe von Worms.
Die territoriale und herrschaftliche Entwicklung im Hoch- und Spätmittelalter
Während es zwar prinzipiell lohnend – und vor allem einträglich – war, möglichst viele und möglichst grosse Ländereien und Höfe zu besitzen, so stellte deren weite geographische Verbreitung eine Herausforderung für ein Kloster dar. Man brauchte Verwalter, die entweder vor Ort waren oder dort regelmässig erschienen, um die Abgaben einzusammeln. Und die Abgaben mussten dann ggf. zur Abtei gebracht werden – auf schlechten und unsicheren Strassen, die in Zeiten von Kriegen immer wieder lange nicht genutzt werden konnten. Besonders in Fällen von so reichen Klöstern wie Notre-Dame war es daher wichtig, die Besitztümer früher oder später zu möglichst zusammenhängenden Gebieten zu bündeln. In Notre-Dame lässt sich diese Entwicklung in den Urkunden gut nachvollziehen. So werden die rheinischen Besitztümer 1164 zum letzten Mal genannt – danach scheinen sie nicht mehr im Besitz der Abtei gewesen zu sein. Ob die Nonnen diese verkauft oder getauscht haben, lässt sich allerdings nicht mehr erschliessen. Aber es passt in die prinzipielle Entwicklung des 12. und 13. Jahrhunderts, während welchen die Äbtissinnen Notre-Dames, besonders Odeline de Trachy, Gebiete um Soissons aufkauften und ihre bestehenden 11 Seigneurien stetig vergrösserten und verbanden.
Innerhalb ihrer Seigneurien waren Äbtissin und Abtei die Herrschenden. Die Äbtissin sprach Recht (sie konnte sogar zum Tode verurteilen), sie erhob Steuern, ernannte Priester und stellte Soldaten für die Kriege des Königs. Diese herrschaftliche Stellung zeigte sich auch in dem einen oder anderen Bauwerk. Bereits seit dem 12. Jahrhundert brachte ein eigenes Aquädukt fliessendes Wasser von der Aisne ins Innere der Abtei – ein Luxus, den sich nur die Reichsten und Mächtigsten leisten konnten. Im 13. Jahrhundert liessen die Äbtissinnen ein neues Gefängnis innerhalb der Abtei errichten, in welchem Untertanen Notre-Dames auf ihren Prozess warteten. Ausserdem wurden unterirdische Tunnel gebaut, welche die Abtei mit der Stadt verbanden – derart konnte man im Falle einer Belagerung die Bewohnerinnen versorgen oder diese konnten ggf. den Belagerern heimlich entkommen, ohne die Tore des Klosters zu öffnen.
Zeit nach dem Mittelalter
Bis zu seiner Auflösung während der französischen Revolution bleibt Notre-Dame ein hochadeliges und territorial besonders mächtiges Kloster. Das Leben der Nonnen blieb dabei immer sowohl von Macht als auch Religion gleichermassen geprägt.
AM
Weiterführende Literatur:
Müller, A., Monastic Continuity, Economic Change, and Feudal Society in Later Medieval Europe, Routledge, 2023.
Germain, Histoire de l’abbaye Royale de Notre-Dame de Soissons, Paris 1675.
Cartuaire de Notre-Dame de Soissons, Archives départementales de l’Aisne H 1506.
Buchau
Die Richterinnen von Buchau am Federsee [Kanonissen, um 770-1803]
Die Gründungslegende
Um Buchau (heute Bad Buchau in Baden-Württemberg, Deutschland) ranken sich verschiedene Gründungslegenden. Die aktuelle Forschung geht davon aus, dass eine Herzogstochter mit dem Namen Adelindis etwa um 770 gemeinsam mit ihrem Ehemann Graf Warin eine geistliche Frauengemeinschaft am Federsee gegründet haben soll. Diese wurde in späterer Zeit unter dem Namen freiweltliches Reichsstift Buchau bekannt.
Adelindis war nicht nur der Name der Gründerin Buchaus, sondern auch einer der ersten Äbtissinnen. Bis zum Ende des Stifts wurde die Tradition beibehalten, am 28. August den Adelindistag mit einem grossen Fest zu feiern. Und sogar auch heute noch wird in Buchau alle zwei Jahre im August ein Adelindis-Fest gefeiert.
Die Gründung Buchaus liegt im großen Zusammenhang mit der fränkischen Eroberung Alemanniens; auch Graf Warin wurde direkt von den Karolingern entsandt, um das Gebiet zu sichern. Durch die dort gegründeten Klöster wurde auch die kirchliche Infrastruktur gestärkt und geordnet.
Das Leben in Buchau
Die Stiftsdamen lebten in Buchau so, wie es für adlige Damen in einer freiweltlichen geistlichen Gemeinschaft üblich war: Sie legten kein Gelübde ab, was sie prinzipiell also nicht für immer an die Gemeinschaft band – den Damen aus Buchau war es durchaus möglich, auszutreten, um etwa zu heiraten, dies geschah im Mittelalter jedoch sehr selten – und sie besassen eine Pfründe – erhielten also ihren Unterhalt aus der Gemeinschaft. Den geistlichen Frauen Buchaus war es darüber hinaus sogar möglich, auf Urlaubsreisen zu gehen.
Einige Männer unter mächtigen Frauen
Neben den geistlichen Frauen lebten in Buchau auch noch männliche Geistliche: Die Chorherren bzw. Kanoniker. Alle klerikalen Funktionen, wie Gottesdienst und Seelsorge wurden von diesen Männern übernommen. Während es etwa zwölf Pfründen für adlige Frauen gab, gab es nur etwa drei bis vier Kanonikerpfründen. Gemeinsam aber entschieden die geistlichen Frauen und Männer über die Geschicke Buchaus im Stiftskapitel – in dieser Versammlung hatten sie jeweils einen Sitz und eine Stimme. Das Kapitel hatte so wichtige Entscheidungsmöglichkeiten, wie etwa die Wahl der Vorsteherin der Gemeinschaft Buchaus: der Äbtissin.
Die Rechte und Kompetenzen der Äbtissinnen wurden in den Wahlkapitulationen der Äbtissin festgelegt. So etwa auch in der Aufschwörung der Äbtissin Klara von Montfort von 1427. In insgesamt 16 Punkten beschwörte die neu gewählte Äbtissin, alle Angelegenheiten – seien es wirtschaftliche oder geistliche – nach ihrem besten Willen und Wissen zu bewältigen und zu leiten. Dabei stand sie stets auf dem Prüfstand, denn ihr Verhalten wurde von den anderen Konventsmitgliedern streng beobachtet.
Die Äbtissin Buchaus war aber nicht nur die Vorsteherin ihrer Gemeinschaft, im Laufe der Jahrhunderte erhielt sie auch den Titel einer Reichsfürstin. Die erste als Reichsfürstin bezeichnete Äbtissin war Anna von Weinburg im Jahr 1347.
Pfalzrichterinnen und ihre Stellvertreter
Bereits 819, also um die Gründungszeit Buchaus, wurde der Äbtissin von Buchau das Recht erteilt, dass nur mit ihrer Zustimmung Gericht abgehalten werden durfte. Einige hundert Jahre später, im 14. Jahrhundert, wurde der Äbtissin Buchaus das Recht gewährt, auf ihrer Pfalz selbst Gericht zu halten. Hinzu kam noch, dass alle zum Gotteshaus gehörenden Personen, seien es Konventsmitglieder oder Leibeigene, sowie auch die Bürger Buchaus nur von der Äbtissin selbst vor Gericht gezogen werden durften. Dieses äbtissische Gericht wurde drei Mal im Jahr abgehalten. Zudem hatte die Äbtissin sogar das Recht, in ihrem Machtgebiet Gefangene zu befreien.
Gegen die Äbtissin selbst und ihr Kapitel durfte aber nur vor dem König oder dem Kaiser selbst geklagt werden, sie hatten also eine exemte Position. Oft nutzte die Äbtissin Buchaus aber die Möglichkeit, einen richterlichen Stellvertreter an ihrer statt einzusetzen.
AS
Weiterführende Literatur:
Bernhard Theil, Das Bistum Konstanz. 4: Das (freiweltliche) Damenstift Buchau am Federsee, Berlin/New York 1994.
Regesten 819 – 1500, bearb. von Rudolf Seigel/Eugen Stemmler/Bernhard Theil, Stuttgart 2009.
Fraumünster
Die Stadtherrinnen von Zürich [Benediktinerinnen, (Fürst-)Abtei, 853-1524]
Die Anfänge bis zum Hochmittelalter
Im Jahr 853 übertrug Ludwig der Deutsche (ca. 806-876) seine Besitztümer in den Regionen Zürich und Uri an ein Frauenkloster und setzte seine Tochter Hildegard als Äbtissin ein. Zehn Jahre zuvor war das fränkische Reich im Vertrag von Verdun (843) zwischen den Enkeln Karl des Grossen aufgeteilt worden. Ludwig hatte dabei den östlichen Teil des Reiches bekommen, dessen Grenzen er kontinuierlich nach Westen auszudehnen suchte. Die Königspfalz Zürich hatte mit der Reichsteilung neue strategische Bedeutung erlangt, lag sie doch sowohl im Grenzgebiet zum Mittelreich als auch auf der Gotthardroute nach Italien. Diese wichtige Region wollte Ludwig in loyaler Verwaltung wissen und übergab sie daher dem Kloster und seiner Tochter.
Die Äbtissinnen des Fraumünsters, welche sich immer aus dem Hochadel und, besonders in der Frühzeit des Klosters, aus der karolingischen Königsfamilie rekrutierten, hielten die von ihnen erwartete Königstreue. Um ihre Herrschaft über das Gebiet, zu dem u.a. 55 Dörfer gehörten, möglichst umfangreich gestalten zu können, waren die Äbtissinnen ausserdem mit vielfältigen Rechten ausgestattet, welche sich im Laufe der Zeit noch erweiterten. So ernannten die Äbtissinnen des Fraumünsters Priester und Richter und erhoben Steuern.
Im Laufe des Hochmittelalters wuchsen die Rechtsbefugnisse des Fraumünsters zunächst. Zwischen 1045 und 1055 erhielt die Abtei von Heinrich III (ca. 1017-1056) die Regalien. Die Äbtissin hatte von nun an das Münz-, Zoll- und Marktrecht für die Stadt Zürich inne. Ab dem 13. Jahrhundert gehörte sie ausserdem dem Reichsfürstenstand an – d.h. sie hatte Sitz- und Stimmrecht bei den grossen Fürstenversammlungen im Reich, welche den König bzw. Kaiser in wichtigen politischen Entscheidungen beriet.
Der Fraumünsterkonvent war Zeit seiner Existenz ein hochadeliger und zahlenmässig ein kleiner. Im Schnitt lebten im Fraumünster nur 11 Nonnen.
Krisen und Wiederaufstieg
Der Weg der Fraumünsterabtei war kein gradliniger. Ab dem späten 11. Jahrhundert verlor die Äbtissin viel ihrer faktischen Macht an die schwäbischen Herzöge aus dem Hause der Zähringer, welche im Süden des Reiches – inkl. Zürich – zu grossem Einfluss gelangten. Erst mit dem Aussterben des Geschlechts 1218 konnten Konvent und Äbtissin wieder zu Macht und Einfluss in und um Zürich gelangen. Den Machthöhepunkt erlebte die Abtei unter Elisabeth von Wetzikon (1235-1298). Als Reichsfürstin und Stadtherrin Zürichs war sie sich ihrer Macht bewusst und inszenierte diese auch gekonnt, u.a. indem sie den Münsterplatz umbauen liess, um hier die Königsempfänge publikumswirksam in Szene zu setzen. Der Zürcher Münsterplatz in seiner heutigen Form geht auf diese Äbtissin zurück.
Niedergang und Auflösung in der Reformation
Das 14. und vor allem 15. Jahrhundert sah den Niedergang der Abtei, welche nach und nach ihre wichtigsten Befugnisse an die Stadt Zürich verlor. Im ausgehenden Mittelalter hatte das Leben der Fraumünsterfrauen nur noch wenig Klösterliches. Die letzten Nonnen etwa lebten in eigenen Wohnungen in der Stadt und die letzte Äbtissin Katharina von Zimmern (1478-1547) soll noch während ihres Abbatiats eine Tochter geboren haben. Entsprechend wenig hatten Katharina und ihre Nonnen der Kritik der Reformatoren entgegenzusetzen. Und Ende November 1524 übergab Katharina von Zimmern das Kloster samt seiner Besitztümer und Herrschaftsrechte der Stadt Zürich und besiegelte somit das Ende der Abtei.
AM
Weiterführende Literatur:
Niedhäuser / D. Wild (Hg.), Das Fraumünster in Zürich. Von der Königsabtei zur Stadtkirche, Zürich 2012.
J. Steinmann, Die Benediktinerinnenabtei zum Fraumünster und ihr Verhältnis zur Stadt Zürich 853-1524, St. Ottilien 1980.
Fontevraud
Das Ordensnetzwerk unter weiblicher Führung [Fontevristen, Abtei und Orden, 1100-1792]
Die Anfänge
Fontevraud wurde um das Jahr 1100 von dem bretonischen Wanderprediger Robert von Arbrissel (c. 1045-1116) gegründet. Die Abtei, im westfranzösischen Anjou gelegen, erfreute sich grosser Beliebtheit, besonders beim Hochadel, der das Kloster reich beschenkte. Zu den wichtigsten Gönnern gehörten neben dem lokalen Adel die Könige von Frankreich und Eleonore von Aquitanien (c. 1122-1204) und ihr Gatte Heinrich II (1133-1189), König von England, welche beide Fontevraud auch als ihre Grablege wählten. Bereits im Jahr 1106 stellte Paschalis II Fontevraud unter päpstlichen Schutz. Der Papst entzog die Abtei und den werdenden Orden damit der Oberhoheit lokaler Bischöfe, bei denen der wachsende Reichtum Begehrlichkeiten weckte und welche im 12. Jahrhundert immer wieder versuchten, Fontevraud ihrer Autorität zu unterstellen. Besondere Bedeutung kommt der ersten Äbtissin, Pétronille de Chemillé, zu, der es wiederholt gelang, Übergriffe der Bischöfe von Tours und Angers abzuwehren.
Innere Struktur
Fontevraud gehört zu den Doppelorden, d.h. ihm gehörten sowohl Männer als Frauen an. Wobei es richtiger ist, sich Fontevraud als einen Frauenorden mit inkorporiertem Männerkloster vorzustellen. Den männlichen Fontevristen oblag die Seelsorge der Nonnen im Hauptkloster und den Prioraten und sie übernahmen vielfältige Aufgaben in der Verwaltung des grossen Ordensnetzwerkes. So rekrutierten sich der Archivar, welcher die tausende Besitztümer, Rechte und Abgaben, die dem Orden zustanden, im Blick haben musste, der Visitator, welcher die einzelnen Klöster des Ordens besuchte, um dort die Einhaltung der religiösen Disziplin zu überprüfen, und auch die Beichtväter der Nonnen für gewöhnlich aus den Reihen der männlichen Fontevristen. Die Nonnen des Ordens, die mit Ausnahme der Frühzeit sich aus dem französischen Adel und Hochadel rekrutierten, widmeten sich neben den Gebetspflichten vor allem der Administration vor Ort. An der Spitze des Ordens stand eine Äbtissin, die immer dem hohen Adel entstammte und der alle Fontevristen strikten Gehorsam schuldeten.
Für das Mittelalter ist es oftmals schwer, genaue Zahlen anzugeben. Im Falle Fontevrauds aber wissen wir, dass die Abtei für mittelalterliche Verhältnisse eine enorme Grösse erreichte – so lebten im Jahr 1267 allein im Hauptkloster 360 Nonnen. Die Abtei hatte somit mehr Bewohner als manches zeitgenössische Dorf und die Versorgung einer so grossen Anzahl Menschen war eine grosse logistische Herausforderung. Auch die einzelnen Priorate waren vergleichsweise gross – dort begegnen uns im 12. Jahrhundert im Schnitt 20-50 Bewohnerinnen. Im späten Mittelalter nehmen die Zahlen etwas ab, aber auch im 16. Jahrhundert sind es im Schnitt noch immer ca. 20 Nonnen pro Priorat.
Entwicklung bis zum 16. Jahrhundert
Unter der Führung des charismatischen Ordensgründers Robert von Arbrissel und der pragmatischen Äbtissin Pétronille de Chemillé wuchs die fontevristische Gemeinschaft schnell. 1116 gehörten dem Orden bereits 35 Priorate an und im 15. Jahrhundert waren es allein in Frankreich mindestens 78 Klöster, die zu dem Orden gehörten und welche der Äbtissin unterstanden. Aufgrund der Ausdehnung des Ordens, dessen Häuser sich von den Pyrenäen im Südwesten bis in die Champagne im Nordosten Frankreichs erstreckte, war Fontevraud immer politisch und geostrategisch bedeutsam. Wer die Loyalität der Äbtissin hatte, der hatte grosse politische Einflussmöglichkeiten in den territorialen Besitztümern des Ordens.
Besonders deutlich wurde Fontevrauds geostrategische Bedeutung im 15. und 16. Jahrhundert. Unter den Äbtissinnen aus dem Hause der Bourbonen, welche das Abbatiat über fünf Generationen in der Familie hielten, wurde der fontevristische Orden reformiert und die Macht der Äbtissin ausgebaut, so dass diese nahezu absolutistisch über das Ordensnetzwerk herrschen konnte. Dass die fontevristischen Äbtissinnen immer königstreu waren, wurde besonders während der französischen Religionskriege (1562-1598) wichtig. Denn hier hatte Fontevraud einen wichtigen Anteil daran, dass umstrittene Gebiete besonders im Süden und Westen Frankreichs katholisch und königstreu blieben.
AM
Weiterführende Literatur:
Bienvenu, J.-M., L’étonnant fondateur de Fontevraud Robert d’Arbrissel, Paris 1981.
Müller, A., From the Cloister to the State. Fontevraud and the Making of Bourbon France (1642-1100), London 2021.
Las Huelgas
Die quasi-bischöflichen Äbtissinnen von Las Huelgas [Zisterzienserinnen, Abtei, 1187- heute]
Anfänge der Macht
Die Zisterzienserinnenabtei Santa María la Real de Las Huelgas (Burgos, Spanien) wurde von König Alfons VIII. von Kastilien und seine Frau Eleonor von England am 1. Juni 1187 auf dem Pilgerweg nach Santiago de Compostela gegründet, wahrscheinlich nach dem Vorbild Fontevraud. Bereits 1188 nahm Papst Clemens III. das Königskloster unter seinen Schutz, bestätigte die Zisterzienserregel und alle seine königlichen Stiftungen und Privilegien. Ebenfalls im gleichen Jahr erklärte der Papst, dass kein Bischof ohne Erlaubnis der Äbtissin im Gebiet der Abtei das Weihesakrament spenden, Rechtsangelegenheiten behandeln oder öffentliche Versammlungen einberufen durfte. Entsprechend den Privilegien des Zisterzienserordens, welche nur dem Papst selbst unterstand, sei das Kloster auch von der weltlichen Gewalt exemt. Las Huelgas ermöglichte denjenigen Frauen, die dessen Äbtissinnen werden sollten, ungewöhnlich umfassende Handlungsmöglichkeiten und Macht.
Die Äbtissinnen von Las Huelgas
Eine dieser mächtigen Äbtissinnen von Las Huelgas war Leonor de Mendoza (1486-1499), die auf dem Werk (rechts) geschützt durch die Jungfrau der Barmherzigkeit mit den katholischen Königen Isabella I. von Kastilien und Ferdinand II. von Aragon mit der königlichen Familie zu sehen ist. Auf der rechten Seite sind sechs Nonnen im Zisterzienserinnenhabit betend dargestellt. Neben ihnen, an vorderster Stelle, erscheint die Äbtissin, die den Äbtissinnenstab nach aussen gerichtet hält, also in Richtung der Königsfamilie. Die Zeitgenossen konnten an dieser Art der Darstellung den weltlichen Machtanspruch der Äbtissin direkt erkennen.
Und die Äbtissinnen von Las Huelgas verfügten über umfassende weltliche Macht. Sie waren Herrinnen über etwa 60 Ortschaften um Burgos, dabei hielten sie, wie andere weltliche Herrscher ihrer Epoche, Gericht in Zivil- und Strafsachen. Und ihnen oblag die Administratorin der königlichen Stiftung in geistlichen und weltlichen Belangen. Hierbei handelte es sich um ungefähr 49 Güter, welche dem Kloster von dessen königlichen Gründern geschenkt worden waren. Später kamen noch weitere hinzu, wie etwa das Hospital del Rey für arme Pilger entlang des Jakobwegs, welches im frühen 13. Jahrhundert Las Huelgas inkorporiert wurde. Die unmittelbare Nähe der Abtei Las Huelgas zu den Königen von Kastilien und Leon zeigt sich auch daran, dass in der Abtei so wichtige Zeremonien wie etwa die Proklamation des neuen Königs und die Bewaffnung von Rittern stattfanden; darüber hinaus wurde in den Klostermauern hier sogar ein König geboren – der spätere König Peter I. von Kastilien im Jahr 1334.
Der Machtbereich der Äbtissinnen
Der Äbtissin von Las Huelgas oblag auch die Obrigkeit über die 12 Zisterzienserinnenklöster im Königreich Leon und Kastilien. Deren gewählte Äbtissinnen mussten nach ihrer Wahl nach Las Huelgas reisen und der Äbtissin Gehorsam versprechen, letztere bestätigte die neu gewählte Äbtissin dann. Die Äbtissin von Las Huelgas ernannte dann die Priorin und andere Ämter im jeweiligen Kloster. Ausserdem konnte sie auch Äbtissinnen und Nonnen von einem in ein anderes Kloster versetzen. Ganz besonders kirchenrechtlich hatte die Äbtissin nach heutigen Massstäben schier unglaubliche Befugnisse. Sie erstellte Entlassungsbriefe für Priester und liess Kandidaten zur Priesterweihe zu. Ausserdem erteilte (und widerrief) sie Lizenzen, welche die Priester innerhalb der unter ihrer Jurisdiktion stehenden Gebiete ermächtigten, Beichten zu hören und zu predigen. Die Äbtissin selbst durfte sogar von Ehehindernissen dispensieren, wie z.B. zu enger Blutsverwandtschaft zwischen zwei Heiratswilligen, oder Synoden einberufen – Rechte, die eigentlich Bischöfen vorbehalten waren. Wenig überraschend erweckten diese Machtbefugnisse der Äbtissin – 23 ihrer Rechten wurden sonst nur durch Bischöfe wahrgenommen – auch immer wieder den Neid der lokalen Bischöfe, so kam es oft zu Konflikten zwischen der Äbtissin von Las Huelgas und dem Bischof von Burgos.
Die quasi-bischöflichen Rechte wurden praktisch bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts von den Äbtissinnen von Las Huelgas beibehalten. Nach der Spanischen Revolution 1820 war für Papst Pius IX. die Notwendigkeit gegeben, die spanischen Jurisdiktionsbezirke neu zu ordnen. Aus dieser Folge setzte er am 17. Juli 1873 im apostolischen Brief Quae diversa fest, dass jedwede privilegierte Jurisdiktion, einschliesslich jene der Frauenklöster, abgeschafft werden sollten. Am 23. September 1873 wurde von der Äbtissin Las Huelgas‘ eine Aufstellung über alle Pfarreien, Kirchen, Kapellen, Klöster und andere fromme Stiftungen, welche ihrer Jurisdiktion unterstanden, sowie ein Beweis ihrer Exemtion gefordert. Letzterem kam die Äbtissin zwar auch nach, jedoch ohne dass sie damit ihre Privilegien hätte schützen können. Bereits ein Jahr später wurde Las Huelgas mit all seinen Besitzungen und Rechten im Auftrag des Papstes dem Erzbistum Burgos inkorporiert – und somit gewann der Bischof von Burgos letztendlich doch den Jahrhunderte andauernden Konflikt gegen Las Huelgas.
Die Abtei in heutiger Zeit
Heute wird das Kloster immer noch von einer zisterziensischen Äbtissin geleitet. Die Gemeinschaft gehört einer Reformbewegung der spanischen Kongregation des Heiligen Bernhard an, welche im Zisterzienserorden schon im 16. und 17. Jahrhundert entstand. Die jetzige Äbtissin verfügt, im Gegensatz zu ihren mittelalterlichen und neuzeitlichen Vorgängerinnen, jedoch über keine besonderen zivilen oder juristischen Befugnisse oder Privilegien mehr.
AS
Weiterführende Literatur:
Schormann, A., The Ladies of Las Huelgas and Their Political and Spiritual Role, in: Between freedom and submission. The role of women in the history of the Church, (vsl.) 2023.
Connor, E. (1988), The Royal Abbey of Las Huelgas and the Jurisdiction of its Abbesses IN Cistercian studies, S. 128-155.
Escrivá, J., La Abadesa de las Hulegas, Ed. crític-hístoria, Balaguer 2016.
Klingental
Basler Klosterfrauen mit Gespür für lohnende Investitionen [Dominikanerinnen, später Augustiner Chorfrauen, Kloster, 1236-1557]
Die Anfänge
Im Elsässischen Hüsern bei Pfaffenheim gründet sich 1236 die erste Gemeinschaft, welche Papst Innozenz IV. 1246 dem Dominikanerorden inkorporierte. Diese frühe Gemeinschaft hatte zunächst einige Herausforderungen zu meistern; war Hüsern doch Ort kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen der südlichen Nachbarstadt Rufach und dem 14 km nördlich gelegenen Colmar. 1253 zog die Gemeinschaft daher an einen neuen Ort, in einem Tal an der Wehra, wo ihnen der Ritter Walter von Klingen eine Klosteranlage stiftete. Die Nonnen nannten sich zum Dank nach dem Stifter und ihrer geographischen Lage von nun an Klingental.
Aber auch der neue Ort stellte sich schnell als unsicher heraus, denn hier bekriegten sich ab 1268 der Basler Bischof Heinrich von Neuenburg und der spätere deutsche König Rudolf von Habsburg um eine nahegelegene Burg. 1274 entschlossen sich die Nonnen daher, nochmals umzuziehen – dieses Mal nach Basel, denn als Stadt bot Basel einen gewissen Schutz vor den lokalen Kriegen.
Die Nonnen und ihr Gespür für Investitionen
Bereits vor ihrem Umzug in die Stadt erwarben die Klingentalerinnen im linksrheinischen Kleinbasel strategische Güter – nämlich drei Mühlen und eine Säge. Im späteren Mittelalter waren Mühlen in Städten mitunter wertvoller als Felder vor Städten. Denn alle Stadtbewohner brauchten gemahlenes Getreide, besonders in den dicht bebauten Städten, in denen man nur bedingt selbst agrarisch wirtschaften konnte und wo man auf den Erwerb fertiger Produkte angewiesen war. Wer hier die Infrastruktur hatte, hatte ein sicheres, regelmässiges Einkommen – unabhängig von kriegsbedingten, epidemiebedingten, oder wetterbedingten Ernteausfällen. Und eine Säge zu besitzen war eine weitere sichere Einnahmequelle in einer Stadt, in der allerorts und vor allem mit Holz gebaut wurde. Um schliesslich auch eigenes Getreide zu haben, das man entweder zum Eigenverbrauch oder ggf., in den eigenen Mühlen gemahlen, weiterverkaufen konnte, erstanden die Klingentalerinnen die Hälfte des Dorfs Kleinhünningen sowie diverse Höfe in der Umgebung.
An diesen Investitionsbeispielen kann man leicht sehen, dass die Klingentalerinnen nicht nur sehr gute Managerinnen waren, die wussten, wie und wo man sein Geld sinnvoll anlegte, um es zu mehren, sondern auch, dass sie wirtschaftlich auf der Höhe ihrer Zeit waren. Man könnte auch sagen, dass sie sich bereits vor ihrem Umzug ein sehr ausgewogenes Portfolio aus zentraler Infrastruktur und naturalienproduzierenden Gütern zulegten. In Basel wurden die reichen Klingentalerinnen schnell zu einer bestimmenden wirtschaftlichen Grösse.
Reform, Widerstand, Auflösung
Die Klingentalerinnen pflegten durchaus einen ihrem Stand und Reichtum entsprechenden Lebensstil, der im 15. Jahrhundert zu wiederholten Versuchen des Basler Rates führte, ordnend in das Klosterleben einzugreifen. So sollte der Konvent 1480 observant reformiert werden, ein Versuch, der auf Seiten der Klingentalerinnen auf heftigen Widerstand stiess. Als Mitglieder des Rats und des Basler Reformklerus den Nonnen am 8. Januar 1480 die Reformbulle vorlesen wollten, schlugen die Klingentalerinnen so viel Lärm, dass die Reformer nicht zu verstehen waren. Aber so einfach liess sich die Reform nicht abwenden und fünf Tage später zogen dreizehn observante Dominikanerinnen im Kloster ein und die weiterhin reformunwilligen Klingentalerinnen wurden verhaftet.
Am 28. Januar verliessen 37 reformunwillige Klingentalerinnen ihr Kloster und zogen sich in die alte Klosteranlage in Wehr zurück. Von dort aus prozessierten sie gegen die Reform unter Einschaltung ihrer Familien und weitreichender politischer Netzwerke. Der Konflikt zog sich drei Jahre hin, an dessen Ende setzten sich die Exilantinnen in Wehr durch. Sie kehrten nach Basel zurück und warfen die observanten Nonnen «unter Gewalttätigkeiten, die bis zur Entweihung des Chors gegangen sein sollen» aus dem Kloster hinaus. Die Alt-Klingentalerinnen traten vom Dominikanerorden zu den regulierten Augustiner-Chorfrauen über und führten ihr altes Leben ansonsten wohl recht unverändert fort.
Wie alle anderen Basler Klöster, wurde auch das Klingental im Zuge der Reformation aufgelöst. Allerdings leisteten die Klingentalerinnen auch hier lange Widerstand. War die Klosterauflösung bereits 1529 vom Rat beschlossene Sache und versuchte dieser, die Nonnen mit Abfindungen zum Klosteraustritt zu bewegen, so verliess mit Ursula von Fulach die letzte Nonne erst 1557 die Klosteranlage.
AM
Weiterführende Literatur:
Gilmon-Schenkel und Degler-Spengler, Basel, Klingental, Helvetia Sacra, Abt. 4, Bd. 2, S. 61-72.
Degler-Spengler und Christ, D. A. Basel, Klingental HS, Abt. 4, Bd. 5 Teil 2, S. 530-583.
Müller, A., Totgesagte leben länger. Das Kloster Klingental als Verwaltungseinheit in der Alten Eidgenossenschaft, in: Hirbodian/ Scheible/ Schormann (Hg.) Konfrontation, Kontinuität und Wandel […], Ostfildern 2022.